Nachruf 1943

Der Nachruf von Pfarrer Georg Merz, Freund von Albert Lempp und ehemaliger Cheflektor des Christian-Kaiser-Verlags, nach Lempps Tod an die Verlagsmitarbeiter aus dem Jahr 1943. Erst im Jahr 2009 wurde er wiederentdeckt.

Der Nachruf von Pfarrer Georg Merz, Freund von Albert Lempp und ehemaliger Cheflektor des Christian-Kaiser-Verlags, nach Lempps Tod an die Verlagsmitarbeiter aus dem Jahr 1943.

Der Nachruf von Pfarrer Georg Merz, Freund von Albert Lempp und ehemaliger Cheflektor des Christian-Kaiser-Verlags, nach Lempps Tod an die Verlagsmitarbeiter aus dem Jahr 1943.

In einer E-Mail vom 17. Januar an Pfarrer Hermann Geyer schreibt Ursula Steigemann zu dem Dokument:
»Ich habe nach unserem Telefonat auf der Suche nach Fotos meines Großvaters eines aus dem Rahmen genommen, damit mein Mann es besser scannen kann, und dabei zufällig zwischen Foto und stützendem Pappkarton ein Dokument gefunden, das für Ihre Zwecke sicher gut geeignet ist. Es handelt sich um eine Mitteilung über den Tod meines Großvaters an seine Verlagsmitarbeiter, die Georg Merz verfasst hat. Das Schreiben war total vergilbt und sehr schlecht lesbar. Darum habe ich es abgetippt, und wir stellen es Ihnen sowohl als (neu erstelltes) WORD-Dokument zur Verfügung wie auch als Faksimile. Wir vermuten, dass meine Großmutter das Schreiben nach dem Tod ihres Mannes in den Bilderrahmen gesteckt hat, der seit dieser Zeit in dem Haus in Leoni auf der Kommode steht und den niemand angerührt hat. Weder meine Eltern noch wir hatten Ahnung von der Existenz dieses Dokumentes. So sind wir nun erst durch die Initiative der Kreuzkirche auf dieses wirklich sehr schöne Dokument gestoßen.«

An die Mitarbeiter des Evangelischen Verlags Albert Lempp

Am Freitag vor Pfingsten haben wir auf dem Waldfriedhof zu München Albert Lempp zu Grabe getragen. Bis zum Mai 1943 war er mit Liebe und Leidenschaft in seinem buchhändlerischen Werke gestanden. Ein Gehirnschlag setzte zunächst diesem Eifer und dann nach vier Wochen schweren Leidens seinem Leben ein Ende. Er starb am 9. Juni 1943, 59 Jahre alt.

Albert Lempp, Sohn, Enkel und Bruder schwäbischer Theologen übernahm nach Lehrjahren in Ludwigsburg und Leipzig im Jahre 1912 die Buchhandlung Chr. Kaiser in München. Innerhalb weniger Jahre gelang es ihm, dies einst hoch angesehene, aber dann in völligen Verfall geratene Geschäft zu seiner alten Würde zu erheben. Bald galt er als einer der führenden Sortimenter des deutschen Buchhandels, ständig bemüht zu lernen, auszubauen, zu ordnen, auch je und je bereit, Gefährdetes zu stützen und zurechtzubringen. Seine Bescheidenheit hemmte ihn zunächst, den Verlag Chr. Kaiser, der einst Männer wie Felix Dahn und Richard Wagner, vor allem aber Forscher wie den Germanisten und Juristen Maurer zu seinen Autoren zählte, zu erneuern. Als aber Rittelmeyer und Geyer ihm den Verlag ihrer Predigtbücher übertrugen, zeigte sich, dass seine ordnende Kraft und die Entschiedenheit seiner Hingabe an eine einmal übernommene Aufgabe auch hier große Erfolge zu erreichen vermochte.

Die Entscheidung in seinem Verlage erfolgte aber in den Jahren 1920/22. Obwohl seine Autoren damals einen großen Leserkreis fanden und sich ihm weitere Unternehmungen der in der Öffentlichkeit siegreichen modernen Theologie anboten, wandte er sich jungen Autoren von unbekanntem Namen und der Neuauflage vergessener und wenig geachteter theologischer Werke der vergangenen Epoche zu. Er tat es, weil er als Glied der Münchener Gemeinde aufmerksam geworden war auf eine theologische Bewegung, die sich dort unter ihren jüngsten Predigern regte. Es verband sich sein Name mit der theologischen und kirchlichen Erneuerung. Er wurde der Verleger einer Reihe epochemachender Werke und diente im besonderen dem Verständnis des Werkes der Reformatoren, immer bestrebt, zugleich der strengen Forschung, wie dem Dienst an der Gemeinde verantwortlich zu sein. Er war nicht nur ein geschickter Förderer seiner Autoren in allen äußeren Fragen, er wurde auch vielen zum Freunde, indem er Leser ihrer Bücher und Mitarbeiter an ihrem kirchlichen Werke wurde. Die Grabrede, die sein Gemeindepfarrer hielt, galt darum auch dem Danke für die gewissenhafte Treue und Wachsamkeit, mit der er seine Pflichten als Kirchenvorsteher ernst nahm. Ich selber konnte mit gutem Gewissen das Gedenken an den Freund, der vielen von uns so lieb war, zusammenfassen in dem Worte des Apostels an Philemon: »Wir haben aber große Freude und Trost an deiner Liebe; denn die Herzen der Heiligen sind erquickt durch dich, lieber Bruder.«

Gewiss, dass Sie an unserer Trauer teilnehmen, grüße ich Sie zugleich im Namen von Frau Maria Lempp, ihrer im Feld stehenden Söhne und ihrer Töchter.

Ihr gez. Georg Merz