Emil Höchstädter

Der 1881 geborene Dr. Emil Höchstädter war Amtsrichter in München und gehörte seit 1934 zum Kreis um Albert Lempp. Er war einer der beiden Überbringer der später so genannten »Osterbotschaft Münchner Laien« an Landesbischof Hans Meiser. Nach dem Krieg war er von 1946 bis 1951 Präsident des Landgerichts Bayreuth.

Die beiden Überbringer der Münchner Osterdenkschrift an Landesbischof Hans Meiser, der Jurist Höchstädter und der Orientalistikprofessor Wilhelm Hengstenberg, waren tatsächlich »Laien«, also keine studierten Theologen. Aber auch wenn die Vorlage zum Text der Denkschrift im wesentlichen vom Württemberger Pfarrer Hermann Diem stammte und viele Mitglieder des Lemppschen Kreises Theologen waren – an den juristischen Passagen und Formulierungen ist auch die Handschrift des Richters Emil Höchstädters erkennbar.

In einer Liste des in den späten 1940er-Jahren im Aufbau begriffenen Ökumenischen Rates der Kirchen heißt es über Höchstädter: »Einer der führenden christlichen Laien, ebenfalls besonders tätig als Mittelpunkt des oppositionellen Kreises; besondere Sachkenntnis im Blick auf die sozialen Fragen und der (sic) Rechtspraxis; besonders bewährt in der mutigen Auseinandersetzung mit nationalsozialistischen Gerichtsbehörden.« (zitiert nach Boyens, S.81)

Gute zwei Stunden nahm sich der Bischof für Höchstädter und Hengstenberg Zeit. Ließ sich die Denkschrift vorlesen und stimmte inhaltlich durchaus zu. Auch er müsse die schrecklichen in Polen und den Konzentrationslagern geschehenen Dinge verurteilen. Er könne aber nichts unternehmen, die Verantwortung für die Landeskirche lasse ihm keine andere Wahl. Die Hilfen, die verfolgten Christen jüdischer Herkunft und Juden von der Landeskirche gewährt würden, müssten im Verborgenen geschehen. Würde er öffentlich Stellung beziehen, wäre den Juden auch nicht geholfen: Wahrscheinlich werde er dann verhaftet und die Verfolgung werde nur noch schlimmer.

Landesbischof Hans Meiser leitete eine Kopie der Denkschrift aber an seinen Württemberger Kollegen Theophil Wurm weiter. Dort, in Stuttgart, ist dieses dem Original am nächsten kommende Dokument, das auch noch auf anderen Wegen Verbreitung fand, im Gegensatz zu München auch erhalten geblieben.

Emil Höchstädter und Landesbischof Hans Meiser haben nach dem Krieg anlässlich einer Tagung der Landessynode in Bayreuth noch einmal über die Sache gesprochen. Nach der Veröffentlichung der Münchner Osterdenkschrift in der Schweiz, das den Vorgang der Weltöffentlichkeit bekannt machte, so Meiser nach der Erinnerung Höchstädters, sei die Gestapo auch im Landeskirchenamt erschienen, hätte nach der Denkschrift gesucht und verschiedene Leute verhört, um herauszufinden, wer der oder die Urheber und Verfasser der Schrift waren.

Die Gestapo habe dabei nach Meisers Aussage großen Druck auf ihn ausgeübt. Er, Meiser, habe sich aber geweigert, Namen zu nennen und sich dabei auf das Beichtgeheimnis berufen. Die Verfasser der Denkschrift seien seine Seelsorgekinder gewesen, die bei ihm Aussprache gesucht hätten.

Mit Dokumenten belegt ist dieser Vorgang zurzeit noch nicht. Im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg existiert jedoch ein vergleichbarer Briefwechsel zwischen dem Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten und Meiser. In einem geheimen Schreiben vom 16. August 1943 nimmt das Ministerium Bezug auf die Veröffentlichung durch den Schweizer Evangelischen Pressedienst (EPD) am 14. Juli und fragt nach: »Ich bitte Sie, mich über Verfasser und Anlass dieses Schreibens näher zu unterrichten.«

Der Bischof spielt auf Zeit und gibt sich in seinem Schreiben vom 6. September ahnungslos: Weder wisse er von einer Veröffentlichung eines an ihn gerichteten Schreibens in der Schweiz, noch wisse er »um den Inhalt dieses Schreibens Bescheid«. Meiser bittet um die Zusendung der EPD-Veröffentlichung. Berlin antwortet am 20. September und schickt »mit der Bitte um Rückgabe den Geheimvorgang« – also die EPD-Meldung.

Am 24. September schickt Meiser diese zurück und schreibt: »In dem (…) Brief erkenne ich ein Schreiben wieder, das mir vor einigen Monaten etwa um die Osterzeit von 2 Herren, die sich bei mir melden ließen, übergeben wurde. Ich versäumte, mir die Namen der Herren zu notieren und bin deshalb, da das Schreiben nicht unterzeichnet war, nicht in der Lage, die Namen nachträglich festzustellen. Auf welchem Wege der Brief in den Schweizer Evangelischen Pressedienst gekommen sein konnte, ist mir völlig unerfindlich.«

Natürlich waren Emil Höchstädter und Wilhelm Hengstenberg nicht anonym bei Meiser erschienen. In dem zweistündigen Gespräch bei Meiser hatte dieser im Zuge seiner Weigerung, das Papier zu veröffentlichen, die beiden auch aufgefordert, doch ihre eigenen Unterschriften unter das bisher nicht signierte Schreiben zu setzen. Beide lehnten ab, wohl wissend, dass sie dies in eine weit größere Gefahr gebracht hätte als den Landesbischof.

»Es ist«, schreibt Walter Höchstädter, der den Briefwechsel nicht erwähnt (und offenbar auch nicht kannte), sondern nur den Bericht seines Vaters von der Bayreuther Synode, »nicht auszudenken, welche Folgen es für die Betroffenen gehabt hätte, wenn ihre Namen den Gestapostellen bekannt geworden wären. Es hätte Haft, Überführung in ein KZ und wahrscheinlich den Tod bedeutet.«

Emil Höchstädter jedenfalls, der ebenfalls einen Durchschlag besaß und seinem Sohn im Mai 1943 aus dem Dokument vorgelesen hatte, war vorsichtig geworden. Bereits 1942 hatte die Gestapo eine Haussuchung bei Höchstädter durchgeführt. In den offiziellen Akten der bayerischen Landeskirche ist von der Osterdenkschrift des Lemppschen Kreises nichts vorhanden. Walter Höchstädter vermutet deshalb, auch sein Vater habe den Durchschlag »wahrscheinlich vernichtet«. (ms)

Quellen zu Landgerichtspräsident Dr. Emil Höchstädter (1881-1961):

  • Walter Höchstädter: Der Lemppsche Kreis, Ev. Theol. 48. Jg. 1988, Heft 5, S. 468-473
  • Röhm/Thierfelder 4/II, S. 283ff.
  • Armin Boyens: Kirchen in der Nachkriegszeit, Göttingen 1979, S.81
  • LKAN, Bestand Meiser 32
  • Wolfgang Gerlach: Als die Zeugen schwiegen. Bekennende Kirche und die Juden, Berlin 1993, S. 371ff.
  • Helmut Baier: Kirche in Not. Die bayerische Landeskirche im Zweiten Weltkrieg, Neustadt/Aisch 1979