Biografie

Albert Lempp – Verleger und Christ im Widerstand
von Armin Rudi Kitzmann

Im Gebiet der jetzigen Kreuzkirche lebte ein Mann, der für die Geschichte der Gemeinde, vor allem aber die Geschichte des Widerstandes in der NS-Zeit über München hinaus von Bedeutung ist. Seit Albert Lempp (1884-1943) von 1924 an in der Isabellastraße 20 lebte und hier auch sein Verlagshaus unterhielt, setzte er sich maßgeblich für die Gründung einer eigenen Gemeinde im rasch wachsenden Schwabing-West ein, die in zwei Schritten 1931 und 1933 erfolgte. Insofern ist er einer der Gründergestalten der Kreuzkirche.

Lempp war einer der bedeutendsten evangelischen Verleger überhaupt. Er hatte den Christian-Kaiser-Verlag neu gegründet und die Buchhandlung Christian Kaiser im Rathaus neu belebt. Durch seine Arbeit wurde München, das damals noch keine evangelische Fakultät besaß, zu einem theologischen Zentrum. Einer seiner Freunde, der Pfarrer Georg Merz, wurde für ihn als Chef-Lektor wichtig. Er wies ihn auf den später so berühmten Römerbrief-Kommentar von Karl Barth hin, den Lempp 1922 verlegte. Er veröffentlichte auch Werke anderer zeitgenössischer Theologen, begründete bedeutende theologische Schriftreihen und machte auf diese Weise die kerygmatische Theologie in Deutschland bekannt. Dank seinem Engagement wurde Christian Kaiser der Verlag für die Bekennende Kirche in der NS-Diktatur. Für Merz war Albert Lempp der genialste Verleger, der die Gabe hatte, bedeutende Literatur gleichsam zu riechen – und der den Mut hatte, sie auch unter den Repressalien der Nazis zu verlegen.

Mit Albert Lempp ist auch der sog. Lempp’sche Kreis verbunden, ein zunächst an Bibel und Theologie interessierter Kreis, der sich in der Nazizeit zunehmend zu einem konspirativen Treffpunkt entwickelte. So ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Kreis 1943 auch die Osterbotschaft Münchner Laien entstanden ist, die mutigste Stellungnahme aus der evangelischen Kirche gegen die millionenfache Verfolgung und Ermordung der Juden.

Häufig war Isabellastraße 20, die Wohnung von Lempps, der Treffpunkt dieses Kreises, aber auch die Wohnung der Familie Classen, Theresienstraße 19. Ein konspirativer Kreis war es auch insofern, als man hier auf verschiedene Weise durchaus mit Erfolg versuchte, jüdische Mitbürger durch Ausreise- und Fluchthilfe in die Schweiz, zu retten. Über direkte Bemühungen Lempps, unterdrückten und gefährdeten jüdischen Mitbürgern zu helfen, berichtet Frau Anna R. in einem Gespräch mit Dirk Schönlebe:

Albert Lempp ging oft abends mit seiner Tochter Elisabeth spazieren. Dabei verschwand auch er, ähnlich wie Pfarrer Kutter, immer wieder für einige Minuten in Häusern – er besuchte Verfolgte und nahm aus deren Wohnungen Wertgegenstände mit, die er versteckte und so dem Zugriff der Gestapo entzog. Die Tochter diente dabei nur als Tarnung, sie wurde auch alleine geschickt, zum Beispiel zur Familie Sp., um Wertsachen wie das Tafelsilber zu holen. Den Kinderarzt der Lempps, der mit einer getauften Jüdin verheiratet war, bei der Elisabeth Französisch-Nachhilfe nahm, luden die Lempps regelmäßig zu sich ein. Der „nichtarische” Protestant Otto S. arbeitete in der „Kaiser-Buchhandlung“ im Rathaus, die Albert Lempp gehörte, ebenso wie eine der Töchter der Familie Sp.
S. floh schließlich mit Lempps Hilfe in die Schweiz. Auf Ausflügen, die Familie Lempp unternahm, traf sich Albert Lempp mit dem Mann ihres Dienstmädchens, der als Zollbeamter in Ischgl/Tirol arbeitete. Er half Lempp, Grenzübertritte nach Landegg/Schweiz zu organisieren.

Von den anderen Mitgliedern des Lempp’schen Kreises ist Ähnliches bekannt, vor allem von dem Deutsch-Schweizer Walter Classen. Während die Nazis das Verbot und die Schließung von Verlag und Buchhandlung vorbereiteten, die im August 1943 erfolgte, verstarb Albert Lempp am 9. Juni 1943 an den Folgen eines Schlaganfalls.

© Armin Rudi Kitzmann, Pfarrer und Studiendirektor i. R.