Leben

Albert Lempp
Kurzvortrag am 6. Juli 2008 in der Kreuzkirche München Schwabing-West
von Armin Rudi Kitzmann
Pfarrer und Studiendirektor i. R.

Nicht jedem, der die Kreuzkirche betritt, dürfte bekannt sein, dass das Kristallkreuz an eine bedeutende Persönlichkeit dieser Gemeinde erinnert. Das Kreuz wurde von der Familie Lempp im Gedenken an Albert Lempp gestiftet und vom Goldschmied Hermann Jünger gestaltet.

1. Allgemein Biografisches zu Albert Lempp
Albert Lempp war wie viele Münchner Protestanten ein Zugereister. Als Sohn eines Pfarrers ist er am 13.2.1884 in Gablenberg, in Württemberg, geboren worden. Da er in seiner Jugend krank war, deshalb kein Abitur hatte und nicht wie seine Brüder studieren konnte, machte er eine Ausbildung zum Buchhändler. In diesem Beruf war er zunächst in Leipzig und in Ludwigsburg tätig. Dann kam er nach München und gründete 1911 den bereits untergegangenen Verlag Christian Kaiser neu. Damit wurde er auch der Inhaber der Chr. Kaiser Buchhandlung im Rathaus. Das Haus der Familie, Isabellastraße 20 – im Jahr 1924 erworben – lag im Sprengel der St. Markuskirche, seit 1933 im Gebiet der Kreuzkirche. Teile der Familie Lempp leben hier heute noch.
Die ersten sieben Jahre in München lebte Albert Lempp ohne eine besondere Beziehung zur evangelischen Gemeinde. Nach 1919 aber wurde er zu einem bewussten Protestanten. Auch wenn er sich eine kritische Haltung gegenüber der offiziellen Kirche bewahrte, engagierte er sich doch als Kirchenvorsteher und Vertrauensmann der Bekennenden Kirche.

2. Der Verleger Albert Lempp
Für Lempps persönliche Entwicklung und die seines Geschäftes war entscheidend die Bekanntschaft und Freundschaft mit Pfarrer Georg Merz (Laim, später Christuskirche). Durch ihn entwickelte er sich nicht nur zu einem bewussten Christen, sondern auch zu einem bedeutenden Verleger. Merz wurde der Chef-Lektor und theologische Ratgeber von Lempp. Alles, was er plante, wurde mit Merz besprochen. So wies ihn Merz auch auf den Römerbrief-Kommentar von Karl Barth hin. 1922 verlegte ihn Lempp. Neben Karl Barths Schriften veröffentlichte er auch die Werke anderer zeitgenössischer Theologen. Auch bedeutende theologische Schriftreihen begründete und verlegte er. Durch Lempps ausgreifendes verlegerisches Wirken wurde München, das damals noch keine theologische Fakultät besaß, auch ein theologisches Zentrum.
Für Merz war Lempp der genialste Verleger, der die Gabe hatte, bedeutende Literatur gleichsam zu riechen – und der den Mut hatte, sie auch zu verlegen.

3. Der Widersteher Lempp
Mit seinen Veröffentlichungen nach 1933 stützte Albert Lempp ganz eindeutig die Bekennende Kirche – und riskierte dabei den Verlust seines Verlages und seines Vermögens. Als Vertrauensmann der Bekennenden Kirche war er gleichzeitig Kirchenvorsteher in St. Markus, denn er war davon überzeugt, dass man nicht in der Kirche sein kann, ohne einer Gemeinde zu dienen. Fasziniert von Leuten wie Vikar Karl Steinbauer/Penzberg trat er in die Reihe der Christen, die den Faschismus abzuwehren versuchten. So wagte er es z.B. die von Oberkirchenrat Julius Sammetreuther herausgegebenen Bekenntnispredigten zu veröffentlichen oder auch die kleine Zeichnung von Vikar Steinbauer Blick aus der Gefängniszelle in Weilheim/Obb. Sie war von Steinbauer in seiner zweiten Schutzhaft (1937) angefertigt worden. Lempp hat für ihre Verbreitung gesorgt. In vielen Nachdrucken hat sie mit der Unterschrift Aber Gottes Wort ist nicht gebunden (2. Tim. 2,9) ihren Weg in die gesamte Bekennende Kirche gefunden und unzählige Menschen aufgerichtet und getröstet.
Steinbauer stellte fest: Albert Lempp: Ein aus dem Evangelium Lebender und für das Evangelium druckender Verleger.
Diese Linie hat Lempp in zähem Ringen mit der Reichsschrifttumskammer, aus der er 1937 ausgeschlossen wurde, durchgehalten. 1943 kam dann die erzwungene Schließung von Verlag und Buchhandlung. Kurz vorher, am 9. Juni, war Albert Lempp allerdings schon einem Hirnschlag erlegen.

4. Albert Lempp und der Lempp’sche Kreis
Der sog. Lempp’sche Kreis in München war 1938 von Dr. Carl-Günther Schweitzer gegründet worden. Vornehmlich im Hause Lempp, in der Isabellastraße 20, und beim Ehepaar Classen, Theresienstraße 19, trafen sich theologisch interessierte Männer und Frauen aus München mit anderen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands. Was als christliche Diskussionsrunde und als Bibelkreis mit Gastreferenten begonnen hatte, wurde unter den sich zuspitzenden Verhältnissen in Nazideutschland auch zu einem konspirativen Kreis, in dem auch der Feindsender BBC und der Schweizer Rundfunk gehört wurden.
Vor allem als es um die Rettung von Juden in München ging, wurde hier geplant und gehandelt. So nimmt es nicht Wunder, dass in diesem Kreis auch die Denkschrift der Münchner Laien von Ostern 1943 entstanden ist. Im Urteil des Historikers Helmut Baier stellt sie wohl das entschiedenste und deutlichste Bekenntnis gegen die Judenverfolgung dar, das in Bayern jemals laut geworden ist: ein Licht in der Finsternis.
Da weder die Überbringer der Denkschrift, Prof. Dr. Wilhelm Hengstenberg und Landgerichtsrat Dr. Emil Höchstätter, noch der Empfänger, Landesbischof D. Hans Meiser, es wagten, sie mit ihrem Namen zu zeichnen, konnte sie nicht veröffentlicht werden. Sie blieb zunächst ohne Wirkung. Bekannt wurde sie trotzdem durch den Evangelischen Pressedienst der Schweiz und die Englische Propaganda.

5. Albert Lempps Bemühungen um gefährdete Juden
Über direkte Bemühungen Albert Lempps, unterdrückten und gefährdeten jüdischen Mitbürgern zu helfen, berichtet Frau Anna R. in einem Gespräch mit Dirk Schönlebe:
Albert Lempp ging oft abends mit seiner Tochter Elisabeth spazieren. Dabei verschwand auch er, ähnlich wie Pfarrer Kutter, immer wieder für einige Minuten in Häusern – er besuchte Verfolgte und nahm aus deren Wohnungen Wertgegenstände mit, die er versteckte und so dem Zugriff der Gestapo entzog. Die Tochter diente dabei nur als Tarnung, sie wurde auch alleine geschickt, zum Beispiel zur Familie Sp., um Wertsachen wie das Tafelsilber zu holen. Den Kinderarzt der Lempps, der mit einer getauften Jüdin verheiratet war, bei der Elisabeth Französisch-Nachhilfe nahm, luden die Lempps regelmäßig zu sich ein. Der „nichtarische” Protestant Otto S. arbeitete in der „Kaiser-Buchhandlung“ im Rathaus, die Albert Lempp gehörte, ebenso wie eine der Töchter der Familie Sp.
S. floh schließlich mit Lempps Hilfe in die Schweiz. Auf Ausflügen, die Familie Lempp unternahm, traf sich Albert Lempp mit dem Mann ihres Dienstmädchens, der als Zollbeamter in Ischgl/Tirol arbeitete. Er half Lempp, Grenzübertritte nach Landegg/Schweiz zu organisieren.
Auch anderweitig ist belegt, dass Lempp seinen Prokuristen Otto Salomon bis 1938 in seinem Betrieb gehalten hat, auch als er ihn zum Schluss nur noch als kleinen Angestellter beschäftigen durfte, und dass er dann dafür gesorgt hat, dass er mit seiner Frau sicher in die Schweiz kam.
Von den anderen Mitgliedern des Lempp’schen Kreises ist Ähnliches bekannt, vor allem von dem Deutsch-Schweizer Walter Classen.

6. Schluss
Für die vom Stadtrat entnannte Meiserstraße hat das Evangelische Dekanat München den neuen Namen Katharina-von-Bora gewählt. Diese sicher verdienstvolle Persönlichkeit hat allerdings nicht das Geringste mit München zu tun. Wenn ich gezwungen wäre (was ein Verwaltungsgericht verhindern möge) für die Meiserstraße den Namen eines verdienstvollen Münchner Protestanten zu nennen, ich würde ohne Zögern Albert Lempp sagen.
Wenn auch keine Straße, so wird doch zumindest das Kreuz in dieser Kirche weiterhin an Albert Lempp erinnern, als einen mutigen evangelischen Christen in schwieriger Zeit. Wir können Gott danken, dass es solche Menschen wie ihn in unserer Kirche gegeben hat.

© Armin Rudi Kitzmann
Pfarrer und Studiendirektor i. R.